Samstag, 15. Dezember 2007

Kerngesund

Es ist für mich immer wieder eine Freude, in Deutschland zum Arzt zu gehen. (*insert sarcasm here*) Beim ersten Mal – als ich eine richtige Influenza-Grippe hatte (nicht lediglich einen läppischen Infekt, mit dem sich die meisten brüsten) – dauert es eine halbe Stunde, bis ich hustend und würgend die Assistentin bei der Kinderärztin von der Authentizität und Gültigkeit meiner Versicherungskarte überzeugen konnte. Eine Stunde später erinnerte man sich meiner und ich erhielt eine sechseinhalbminütige Behandlung – mit dem hilfreichen Ergebnis, dass ich mir einen Hustenlöser und Paracetamol besorgen sollte. In der Zwischenzeit war meine Temperatur um zwei Kelvin gestiegen. Und meine Begeisterung über mein neues Heimatland stark gesunken.

Beim nächsten Mal saß ich in der Chirurgie, mit beiden Beinen verstaucht. Nun sind Menschen aus südlichen Länder für ihre Geduld und weiten Zeitbegriff bekannt – aber Deutschland ist schließlich international für die Pünktlichkeit der Bewohner renommiert. So hofft man jedes Mal, doch bald dranzukommen. Die Warteperiode überbrückte ich mit Beten (eine akzeptable Alternative zum Heulen), was sich dank meiner Verletzungen als nicht ganz brauch-konform erweißen sollte. (Wusstet ihr, dass eine eine „muslimisches Knie“ genannte Prothese gibt, die einen großen Beugungswinkelspielraum hat?) Danach wurden mir im rapidesten Sächsisch die Sicherheitrichtlinien für das Röntgen erläutert. Nicken und Freundlichkeit ist gut, das öffnet die Herzen der Einheimischen, auch wenn man kein Wort versteht. So heißt es in einem Reiseführer für Irland. Nicht sehr hilfreich, hier.

Ein weiteres Erlebnis mit dem deutschen Gesundheitssystem hatte ich nach einem Unfall - Einlieferung in ein Krankenhaus; Gehirnerschütterung und blutüberströmte Schulter. Den nach Urin schmeckenden Tee auf der Kinderstation (mit 16...) werde ich niemals vergessen.

Doch diesmal sollte der Besuch beim Mediziner weniger dramatisch verlaufen, da es sich lediglich um eine Grippeimpfung handelte. Es wurde allerdings eines der skurrilsten Erlebnisse, dass ich je in meinem neuen Land hatte – und das waren bisher einige!
Einige Bekannte hatten angeboten, mich zu ihrem Allgemeinarzt mitzunehmen. Um sechs wurde ich aus dem Bett geklingelt. Eine Viertelstunde stand das Auto hupend vor dem Haus. Böse Blicke, nachdem ich nochmal zurückrennen musste, um meine Versichertenkarte zu holen. Ich fragte mich, warum es unbedingt nötig war, eine dreiviertel Stunde vor der Praxisöffnung da zu sein. Als wir das Viertel erreichten wurde, während wir einen Parkplatz suchten, der Opa vorgeschickt, der im Übrigen sein Gebiss vergessen hatte und wohl nicht zurücklaufen gedurft hatte. „Plätze reservieren“ witzelte ich. Keiner lachte. Es stimmte wohl. Im Laufschritt ging es durch die klirrende Kälte. Gut, dass ich als Tänzerin und Parcours-Anfängerin eine ausgeprägte Kondition habe. Vor dem Eingang angekommen standen bereits sieben Personen zitternd und wartend da. Ich fühlte mich ein wenig wie eine Agentin – oder wie eine DDR-Bürgerin beim Fleischer. Nach 30 unangenehmen Minuten traf der Arzt ein. Hinter uns hatte sich eine Schlange von 15 Leuten gebildet. Und das Mittwoch morgens.
Natürlich musste vor dem Einlass noch die Praxis gesaugt und das Datenbanksystem zum Absturz gebracht werden. Dann öffnete uns eine Sprechstundenhilfe mit rosigen Wangen, die Ehefrau des Doktors, die Tür. Ich freute mich auf meine Impfung. Im Warteraum durfte ich nicht meine Jacke ablegen, geschweige denn die Zeit zum Lesen des Spiegel-Dossiers über „Mekka Deutschland“ (uralt...) nutzen – unsere Bekannte war sehr darauf bedacht, dass wir keine Bakterienkontakte hatten. Wer hätte es gedacht, für die Assistentin war ich wieder „Faheeme Ali-äh-navee“. [Nur 1% der Menschen in Deutschland sind Analphabeten...] Und wie erklärt man einem Mediziner, dass man sich nicht wirklich entkleiden will (was bei einer langärmeligen Bluse obligatorisch ist...) und dass man gerne in den rechten Arm die Impfung erhalten möchte?

Eine Zukunft zum Leben

Wir alle benötigen eine Zukunft, für die wir leben können, nicht eine Vergangenheit, für die wir sterben.*
Wir müssen die Errungenschaften und Konsequenzen des vergangen Imperialismus vergessen und uns in einer wichtigen Tugend üben: Verzeihung.
Wir könne nicht weiter Märtyrer werden oder unterstützen (in manchen Ländern bekommen die Familienmitglieder eine staatliche Zuwendung!) in der Hoffnung, dass uns zum Lohn für unsere Verbrechen gegen die Menschlichkeit 70 schwarzäugige Jungfrauen (für Männer) oder ewige herausragende Schönheit (für Frauen) zuteil werden.**
* Der letzte Teil ist interessant: Weshalb sterben – aus Scham, aus Rache, als Strafe, als Konsequenz, für ein Statement?
** Wo kommen diese Jungfrauen eigentlich her? Sind es engelsartige Wesen, oder vielleicht gar die bedauerlichen Mädchen, die vor der Verheiratung sterben und zum Ausgleich ein unzerstörbares Hymen und männliche „Anerkennung“ erhalten?
Und ist die Bevölkerung des Paradieses dann in zwei Klassen eingeteilt: Die atemberaubenden Märtyrerinnen und die durchschnittlich hübschen Anderen; die Märtyrer, die einem immer-bereiten Harem mit stets enger Vagina zur Verfügung haben und die Männer, die monogam leben oder maximal vier Frauen haben [Letzteres würde mathematisch nicht funktionieren.]? Soviel zu ewiger Gerechtigkeit.
Sorry für die Blasphemie. Oder mache ich mich nur über menschliche Naivität lustig? Und selbst wenn – im Zweifelsfall kann ich mich immer noch in die Luft jagen und so Verzeihung erhalten...oder nicht...?

Bis du die Angst hinter dir lässt

Die Angst, das Falsche zu tun
Die lähmende Sorge
nicht Gottes Wohlgefallen zu erhalten
tötet deine innere Weisheit
anstatt dein Verständnis zu erhöhen
schürt deine Furcht
denn die Erwartungen der Gesellschaft
können von keiner Person
ohne Doppelmoral erfüllt werden
aber du bist du selbst
und kannst ein Individuum sein
wenn du die Fesseln abstreifst
und dein Leben überprüft
welche Wertvorstellungen sind human
welcher Wissende hat Autorität
was wünschst du dir wirklich

sei stark
in Anbetracht der Konsequenzen
die jeder konfrontieren muss
sonst verliert er seine Integrität
doch deine Einstellungen sind es
die dich definieren
Mädchen, lauf,
erkunde die Welt
ohne in ihre Fallen zu tappen
du hast Zögern nicht nötig
wenn du die sinnvollen Regeln kennst
dann kannst du dein Gehirn einsetzen
und forschen
deine Beine nutzen
um der Angst davon zu laufen
bevor die Lähmung sich deiner bemächtigt
jeder Blick kann dir Schönheit enthüllen
niemand hat das Recht
dir deine Individualität und dein Leben zu nehmen
Also laufe, Mädchen, um der Angst zu entrinnen.

Underneath the Veil

Denken und Glauben

Wo Verstand ist, da braucht es nicht viele Worte

Nicht jeder, der einen Bart trägt, ist schon ein Weiser. (arab. Sprichwort)

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