Nach dem Anruf bei dem ägyptischen Zweig meiner Familie wurde mir wieder bewusst, woran ich arbeiten sollte – meinem Dialekt. Wenn man einige Sätze fünf Mal wiederholen muss, weil die Oma, die eigentlich noch - alhamdulillah - ganz gut hört und dann auffällt, dass es die fragliche Vokabel nur im levantinischen Dialekt gibt und man sowieso die Vokale „falsch“ ausgesprochen hat, ist es Zeit sich Sorgen zu machen. Warum kann es nicht nur ein Arabisch geben? Es ist belastend, immer zwischen libanesischem Dialekt, ägyptischem Dialekt und Literaturarabisch wechseln zu müssen. Das ist wie, als würde man gleichzeitig Mandarin und Shanghainese lernen. Schlimmer ist es, wenn man fünf Jahre alte eigene Tagebucheinträge lesen möchte und dazu ein Wörterbuch braucht.
Als ob ich nicht schon genug mit Deutsch zu tun hätte. Skurrilerweise habe ich einen wirklich starken Akzent, während ich meinen Wortschatz und die Grammatiksicherheit als nicht schlecht einschätzen würde. Das ist in sofern merkwürdig, als dass ich ständig von dieser Sprache umgeben bin, im Gegensatz zum Englischen oder Spanischen, bei denen ich fast eine muttersprachliche Aussprache erworben habe. (Ich bin ganz stolz, dass ich vier englische Dialekte nachahmen kann ;-)) Immersion klappt also doch nicht wirklich...
Almujadilah - 17. Dez, 11:07
Koranschulen und Hinterhofmoscheen machen seit dem 9/11 ständig negative Schlagzeilen als Bastionen der Fundamentalisten.
Auch ich war zwei Jahre lang in einer britischen „Koranschule“ angemeldet, obwohl ich diese Bereichnung nicht gerne verwende, da sie immer "intereuropäisches Trainings- und Rekrutierunglager für Islamisten" impliziert, was bei meiner Schule keineswegs der Fall war. Demnach war die Einrichtung eher eine Art muslimischer Bibelkreis. Zwei Nachmittage in der Woche lasen wir den Qur'an, lernten (meist selbstgewählte) Surenverse auswendig, diskutierten und rezitierten. Die jenigen, die kein Arabisch konnten, lernten es, die anderen trainierten ihr English. Jedesmal gab es danach entweder ein kleineres orientalisches Gericht oder Sandwiches sowie Obst. Wir erzählten von der Schule und von unseren Hobbies, auf English, damit wir die Sprache lernten. Oft haben wir uns gegenseitig bei Hausaufgaben geholfen. Die Klassen waren meist getrennt, das Essen und Erzählen fand geschlechtergemischt statt, außer wenn es einige SchülerInnen nicht wollten. Ein paar mal organisierten die Lehrer auch Ausflüge, in ein Kulturmuseum oder ins Schwimmbad. Bei letzterem wurde sogar ein Becken für wenige Stunden angemietet, damit die (eher orthodoxen) Mädchen fernab von männlichen Blicken und ohne Ganzkörperbadeanzug schwimmen konnten.
Als ich vier Jahre alt war, wurde ich in meinem Urspungsland (ich sage nicht bewusst Heimat) für eine andere Art von madrassaangemeldet. Jeden Tag musste ich hin, wir lernten Lesen und Schreiben, hauptsächlich sprachen wir aber im Chor der völlig verhüllten Lehrerin nach. Warum sie Tschador und Niqab (Schleier) trug, ist mir unverständlich, denn sie unterrichtete ja eine reine Mädchenklasse. Sowieso war das Straßenbild nicht von Tschadors oder Burqas bestimmt, maximal einige sehr reaktionäre Frauen hatten diese zu tragen. Normale Hijabi kamen dagegen oft vor. In den Mädchenkursen wurde uns Gehorsamkeit gepredigt und uns die traditionellen Frauentugenden näher gebracht. Alle trugen traditionelle Kleidung (wie dies in einem deutschen Jugendbuch über Weltreligionen bezeichnet wird), das heißt, weiße Spitzenkopftücher, die bis unter den Brustkorb reichten, so dass wir aussahen wie frische Papiertüllen für Spritzgebäck.
Als meine Eltern erfuhren, wie sehr mich diese Schule belastete, musste ich sie nie mehr besuchen. Der einzige Grund für diese Art von Schulbesuch war nämlich der gewesen, dass ich mein Lese- und Schreibkenntnisse des Arabischen festige, bevor wir nach GB umzogen, nicht, dass ich extremistisch indoktriniert werde.
Trotzdem bin ich keine Terroristin geworden, ich würde mein Leben riskieren, um einen Attentäter an der Ausführung seines Plan zu hindern, wenn ich die Möglichkeit hätte. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass mein Wissen und meine Redegewandtheit nicht auf gezielter Schulung beruht. Ich weiß, dass manche Muslime darauf trainiert werden, ihren Glauben in der Öffentlichkeit zu verteidigen und jede konstruktive Diskussion mit "dem Westen" zu ersticken und dementsprechende Eloquenz besitzen. Seid versichert, das ist bei mir nicht der Fall.
Almujadilah - 17. Dez, 10:49
Ein integraler Bestandteil des Islam ist die Gelehrigkeit. Es ist eine der Anweisungen Allahs, des Allwissenden, dass wir nach so viel Wissen wie möglichs streben sollten. Diese Verse beziehen sich nicht nur auf Glaubensfragen und schließen auch Frauen mit ein.
(Dabei sollten die Gläubigen natürlich aufpassen, nichts "sündiges" zu lernen, d.h. die Skripte von Pornofilmen beispielsweise sollte man nicht auswendig können. ;-) )
Dieses Gebot bedeutet aber auch, dass Frauen entgegen der Fatwas (Gutachten) einiger Rechtsgelehrter nicht nur auf die häusliche Sphäre beschränkt werden dürfen.
Sicherlich sind Rezepte und das Wissen um die Kindererziehung nötig (und selbst in der DDR gibt es hilfreiche, propagandistische Bücher diesbezüglich, obwohl frau ja ihren sozialistischen Mann stand) - aber alleinige Beschäftigung mit Kindern und Qur'an führt zu geistiger Verkümmerung.
Viele Immigrantinnen leben ein tristes Leben in der Wohnung, das einzige Buch der Qur'an, kein Radio, kein TV-Gerät, geschweige denn ein Computer. In dem Heimatland gibt es viel mehr Solidarität, die Frauen treffen sich, teilen Arbeit, Erziehung und Leid. Doch hier sind sie ganz allein.
Als ob sie alle eine angeborene Sünde hätten, die ihren Männern erlaubt, sie im Haus einsperren zu dürfen (...als geistlose Sexsklavinnen...), "bis sich Allah ihrer annimmt oder der Tod sie ereilt", wie es in einer Sure heißt.
Dürfen sie doch einmal raus, ignoriert man sie wegen des Kopftuchs beflissentlich.
Almujadilah - 17. Dez, 10:45