Dienstag, 18. Dezember 2007

Hunger

Während unserer Zeit in England hatten wir trotz einer willkommenen Vergütung durch den Arbeitgeber meines Vaters (die letztendlich der Anlass für unsere Auswanderung gewesen war) hohe Schulden. Wohnungsmiete und Zusatzkosten verschlangen 90% unseres Einkommens. Meine Mutter erhielt als Ausländerin keine Lehrerlaubnis für britische Schulen. Ich, als ältestes Kind, war noch zu jung um auch nur eine geringe Arbeit aufzunehmen. So begab sich mein Vater morgens um fünf, nach dem Frühgebet, auf Arbeit und würde bis um sieben nicht wieder kommen. Mutter dagegen stand um vier auf. Sie begann den Tag mit einem Gebet, verrichtete danach für eine Stunde die anfallende Hausarbeit – Reinigen, Geschirr (ohne Spülmaschine!), Wäsche. Danach führte sie die Hunde einiger Nachbarn durch die Straßen und trug Zeitungen und Werbung aus. Wir wurden geweckt, ich half meinen Brüdern beim Anziehen, Einpacken und Aufräumen. Danach gab es ein gemeinsames Frühstück – normalerweise billigen Tee sowie eine Portion Getreidebrei, an guten Tagen mit Milch, wenn das Geld knapp war mit Wasser zubereitet. Ich (7) und mein Bruder (4) gingen zur Schule, der Kleine blieb zu Hause. Mutter pflegte bis zum Mittag die Gärten einiger Leute im Vorort, lief dann zwei Kilometer bis zum Stadtzentrum um auf den Markt zu gehen. Dort kaufte sie jeden Tag für uns das Obst vom Vortag, außerdem entweder Bohnen, Linsen oder Gemüse. Weiterhin besorgte sie Lebensmittel für einige ältere Leute, die sie auch bekochte. Sie kam halb drei nach Hause. Auf Grund des Hungers erledigte ich die Hausaufgaben meist nach dem Essen, das oft aus zwei Portionen Obst bestand. Mutter verließ dann wieder die kleine Wohnung, um für vier Stunden in einem Geschäft zu arbeiten. Wenn sie zurück kam, hatte ich schon das „proteinhaltige Gericht“ aufgesetzt, wie wir immer scherzten, Linsen bzw. Bohnen mit verschiedenem Gemüse, dazu von Zeit zu Zeit etwas Jogurt. Vater kehrte ebenfalls zurück, half mir beim Lernen, bügelte und putzte die Wohnung, falls nötig. Vor dem Essen beteten wir alle gemeinsam, wuschen uns erneut. Mutter nähte oder bestickte dann Stoffe, die eine Freundin auf dem Markt verkaufte. Vater spielte mit uns, las uns vor, brachte die Jungen ins Bett. Ich war meist in der Zwischenzeit zu den Füßen meiner Mutter eingeschlafen. Um zehn wurde ich geweckt, wir beteten zur Nacht, danach ging auch ich zu Bett. Meine Eltern würden erst um elf schlafen können. Oft lag ich noch wach, überlegte, wie wir an etwas mehr Geld kommen könnten oder betete einfach nur dass der Hunger aufhörte.

Niemand, ich wiederhole, niemand hat ein intrinsisches Recht auf Wohlstand.
Seid euch dessen besonders zur Weihnachtszeit bewusst.

Underneath the Veil

Denken und Glauben

Wo Verstand ist, da braucht es nicht viele Worte

Nicht jeder, der einen Bart trägt, ist schon ein Weiser. (arab. Sprichwort)

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