Von Schleiersöldnern, Bauchtänzerinnen und Koranrezitation – Der Islam auf YouTube
Mit einer halbleeren Schale koscherer Eiscreme, die uns freundlicherweise von einem jüdischen Kollegen meines Vater überlassen wurde, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück. Das Eis schmeckt entgegen der vermutlichen Packungsbeschriftung nicht nach Vanille, aber vielleicht liegt das auch an meinem Hebräisch – oder dem augenscheinlichen Mangel davon.
Nach einer Stunde Elephant auf YouTube gebe ich in einem Anflug von religiösem Interesse den Suchbegriff „Islam“ ein.
Von Missionarssendungen über kritische Betrachtungen, Alltagsanekdoten, Dokumentationen, arabischem TV und Musik „for ma siztaaz“ erstreckt sich die große Auswahl.
Besonders angetan hat es mir das Niqabi-Squad. Das sind Muslimas mit vorgebundenen schiefen Tüchern in grellen Farben (die ihnen den Look eines Links-Autonomen verleihen), die über ihnen am Herzen liegende Themen referieren – bevorzugt Gleichberechtigung, die Schönheit des Islam und die Vorzüge der Verhüllung. Natürlich nennen sich die jungen Frauen, mehrheitlich Konvertinnen, nicht so. Aber ihre Beiträge sind durch Video-Responses untereinander vernetzt; und so kommen skurrile Serien zustande wie reihenweise hämische Kommentare zur Burqa-Verbrennungs-Competition. Bei dieser sicher gutgemeinten (wie alles, das mit der muslimischen Frau zu tun hat...) Aktion sollte eine Burqa gekauft werden und dann ein Video ihrer Verbrennung auf YouTube online gestellt werden. Muslims and Infidels Unite, unter dem Banner eines so sinnlosen wie kontraproduktiven Wettbewerbs. Wahrscheinlich würden Vegetarier keinen Hackbraten kaufen, um ihn dann öffentlich auf die Wiese zu schmeißen – obwohl man sich bei PETA da nicht sicher sein kann (nach den neuesten Kopfsalat-Softpornos). Glücklicherweise war die Resonanz so gering wie die Empathiefähigkeit von Omar, einem der Rechtgeleiteten Kalifen.
Diesem werde ich sicher nicht das letzte Wort überlassen, doch für Ausschweifungen fehlt mir die Zeit.
Zum Zwecke des Abgucken einiger Tricks klicke ich mich durch Aufnahmen von Auftritten von Raqs-Sharqi-Tänzerinnen, besser bekannt als Bauchtanz. Wer schon einmal einen Kurs dafür besucht hat, weiß, dass dies eine Fehlbezeichnung ist. Muskelkater in den Beinen und Schultern ist üblich und die Seniorinnen, die nach einer ihrer zahlreichen Fernreisen auf den Geschmack gekommen sind, klagen über Hüftschmerzen. Ein bisschen erstickt geglaubter Nationalstolz steigt auf, als eine libanesische Tänzerin eine atemberaubende Performance zeigt. Die türkischen Damen tanzen größtenteils mit Absatzschuhen – Erotik pur, aber fast keine künstlerischem Elemente mehr. Dank schmaler Konturen werden die Träume des männlichen Publikums wahr, aber das Selbstbewusstsein der Frauen ist gering. Viel besser gefällt mir da die Serie eines Mädchens, das - sie ist etwas korpulent, was sich leider in abschätzigen Kommentaren niederschlägt – versucht, den Erlernerinnen des orientalischen Tanzes die Bewegungen besser verständlich zu machen. Sie erinnert mich in ihrer forschen Art ein wenig an meinen früheren homosexuellen Tanzlehrer, der wohl froh sein kann, nicht im Iran zu leben.
Ich hatte mich als Person mit einem ausgeprägten Sinn für zahlreiche Arten von Humor eingeschätzt, aber über die Islamwitze auf YouTube kann ich einfach keine Belustigung empfinden. Nicht, weil ich mich in meinen religiösen Gefühlen verletzt fühle, sondern weil ich einfach nicht weiß, an welcher Stelle ich lachen soll, derart flach sind die Beiträge. Ein Captain Tsubasa-Verschnitt, ein Fußballturnier ausgetragen zwischen „Ungläubigen“ und „Muslimen“, ist da das unumstrittene Highlight.
Kommen wir zurück zur Kultur: Natürlich singen die Níqabi-Schwestern auch. Manche zumindest; und von denen, die es versuchen haben einige eine zum Weinen schöne Stimme – bei ihren Koranrezitationen bekomme ich wirklich Gänsehaut. Ein paar kleine bekopftuchte Mädchen dürfen auch in Fernsehshows auftreten, Mitschnitte findet man freilich in der Internetcommunity. In Großbritannien lassen sich übrigens bis zu fünf Sender empfangen, auf denen in 60% der Zeit Jungen mit weißer Häkelkappe vor- und zurückwippend aus dem Heiligen Buch vorlesen – sie stehen in einem Wettstreit untereinander, teilweise von den anrufenden Zuschauern bewertet. 9Live ganz islamkonform. Im saudischen und libanesischen Fernsehen singen in Kindersendungen die Zeichentrickcharaktere ausschließlich/oft ohne Musikuntermalung – ratet mal wovon. Von Allah und den Engeln, wer hätte es gedacht. Es wirkt bewusstseinsbildender als das Krümelmonster der Sesamstraße. Die liebt übrigens meine Schwester, also die deutsche Variante, meine ich.
Nach einer Stunde Elephant auf YouTube gebe ich in einem Anflug von religiösem Interesse den Suchbegriff „Islam“ ein.
Von Missionarssendungen über kritische Betrachtungen, Alltagsanekdoten, Dokumentationen, arabischem TV und Musik „for ma siztaaz“ erstreckt sich die große Auswahl.
Besonders angetan hat es mir das Niqabi-Squad. Das sind Muslimas mit vorgebundenen schiefen Tüchern in grellen Farben (die ihnen den Look eines Links-Autonomen verleihen), die über ihnen am Herzen liegende Themen referieren – bevorzugt Gleichberechtigung, die Schönheit des Islam und die Vorzüge der Verhüllung. Natürlich nennen sich die jungen Frauen, mehrheitlich Konvertinnen, nicht so. Aber ihre Beiträge sind durch Video-Responses untereinander vernetzt; und so kommen skurrile Serien zustande wie reihenweise hämische Kommentare zur Burqa-Verbrennungs-Competition. Bei dieser sicher gutgemeinten (wie alles, das mit der muslimischen Frau zu tun hat...) Aktion sollte eine Burqa gekauft werden und dann ein Video ihrer Verbrennung auf YouTube online gestellt werden. Muslims and Infidels Unite, unter dem Banner eines so sinnlosen wie kontraproduktiven Wettbewerbs. Wahrscheinlich würden Vegetarier keinen Hackbraten kaufen, um ihn dann öffentlich auf die Wiese zu schmeißen – obwohl man sich bei PETA da nicht sicher sein kann (nach den neuesten Kopfsalat-Softpornos). Glücklicherweise war die Resonanz so gering wie die Empathiefähigkeit von Omar, einem der Rechtgeleiteten Kalifen.
Diesem werde ich sicher nicht das letzte Wort überlassen, doch für Ausschweifungen fehlt mir die Zeit.
Zum Zwecke des Abgucken einiger Tricks klicke ich mich durch Aufnahmen von Auftritten von Raqs-Sharqi-Tänzerinnen, besser bekannt als Bauchtanz. Wer schon einmal einen Kurs dafür besucht hat, weiß, dass dies eine Fehlbezeichnung ist. Muskelkater in den Beinen und Schultern ist üblich und die Seniorinnen, die nach einer ihrer zahlreichen Fernreisen auf den Geschmack gekommen sind, klagen über Hüftschmerzen. Ein bisschen erstickt geglaubter Nationalstolz steigt auf, als eine libanesische Tänzerin eine atemberaubende Performance zeigt. Die türkischen Damen tanzen größtenteils mit Absatzschuhen – Erotik pur, aber fast keine künstlerischem Elemente mehr. Dank schmaler Konturen werden die Träume des männlichen Publikums wahr, aber das Selbstbewusstsein der Frauen ist gering. Viel besser gefällt mir da die Serie eines Mädchens, das - sie ist etwas korpulent, was sich leider in abschätzigen Kommentaren niederschlägt – versucht, den Erlernerinnen des orientalischen Tanzes die Bewegungen besser verständlich zu machen. Sie erinnert mich in ihrer forschen Art ein wenig an meinen früheren homosexuellen Tanzlehrer, der wohl froh sein kann, nicht im Iran zu leben.
Ich hatte mich als Person mit einem ausgeprägten Sinn für zahlreiche Arten von Humor eingeschätzt, aber über die Islamwitze auf YouTube kann ich einfach keine Belustigung empfinden. Nicht, weil ich mich in meinen religiösen Gefühlen verletzt fühle, sondern weil ich einfach nicht weiß, an welcher Stelle ich lachen soll, derart flach sind die Beiträge. Ein Captain Tsubasa-Verschnitt, ein Fußballturnier ausgetragen zwischen „Ungläubigen“ und „Muslimen“, ist da das unumstrittene Highlight.
Kommen wir zurück zur Kultur: Natürlich singen die Níqabi-Schwestern auch. Manche zumindest; und von denen, die es versuchen haben einige eine zum Weinen schöne Stimme – bei ihren Koranrezitationen bekomme ich wirklich Gänsehaut. Ein paar kleine bekopftuchte Mädchen dürfen auch in Fernsehshows auftreten, Mitschnitte findet man freilich in der Internetcommunity. In Großbritannien lassen sich übrigens bis zu fünf Sender empfangen, auf denen in 60% der Zeit Jungen mit weißer Häkelkappe vor- und zurückwippend aus dem Heiligen Buch vorlesen – sie stehen in einem Wettstreit untereinander, teilweise von den anrufenden Zuschauern bewertet. 9Live ganz islamkonform. Im saudischen und libanesischen Fernsehen singen in Kindersendungen die Zeichentrickcharaktere ausschließlich/oft ohne Musikuntermalung – ratet mal wovon. Von Allah und den Engeln, wer hätte es gedacht. Es wirkt bewusstseinsbildender als das Krümelmonster der Sesamstraße. Die liebt übrigens meine Schwester, also die deutsche Variante, meine ich.
Almujadilah - 21. Dez, 11:06