Gib's mir

"Give it to me..." schallt es mit hartem Bass aus dem geöffneten Fenster, an dem ich vorbei gehe. Was könnte diese Sängerin verlangen? Lässt man den lasziven Ton außer Acht, könnte sie beinahe eine feministische Ikone sein, die Gleichberechtigung einfordert. Doch sie stellt in Wahrheit nur eine weitere junge Frau dar, die sich dem von einigen Männern propagandierten Ideal fügt. Den Männern wiederum wird eingeredet, das müsste so sein. Ihre Freundin sollte sich von einer Prostituierten nur in dem Punkt unterscheiden, dass sie partout treu zu sein hat. Sie räkelt sich an der Stange und betreibt so Missionsarbeit.
Welche anderen Vorbilder haben Mädchen außer diesen Vortänzerinnen der sexualisierten Unterwürfigkeit? Sich nicht zum Objekt machen lassen, das ist ein alter feministischer Slogan. So alt, dass er kaum eine noch interessiert. Objektivität, das ist erstrebenswert und unerlässlich für einen Beruf abseits von Bar und Bühne, doch auf Grund der Hormone wird dem weiblichen Geschlecht die Rationalität abgesprochen. Es lebe der Biologismus. Durch diesen wird jedeR auf das Geschlecht und somit die Geschlechtlichkeit reduziert. Die Sängerin ist selbstbewusst, fordernd. Sie glaubt zu wissen was sie will. Doch das Leben ist keine Glaubensfrage, denn sie irrt sich, wie so viele junge Frauen. In dem Wahn, zum sexuellen Selbstbestimmungrecht zählte auch die Möglichkeit seinen Körper nach Belieben verkaufen - oder besser: vermieten - zu können, beugt sie sich den Normen, um auch auf dem Markt Chancen zu haben. Die Waffen einer Frau machen sie nicht stärker. Silikon-Einlagen bieten keinen Schild, weder gegen Herabwürdigung noch Projektile. Die Künstlerin in unserem Beispiel hat ein ganzes Team hinter sich - wortwörtlich, denn diese Männer betasten in Musikvideos mit Vorliebe ihren Po. Solche Filme haben ein ganz anderes Publikum als jene Pornos, die dasselbe, nur in Hardcore, anbieten. Sie banalisieren, im Gegensatz zu den Schmuddelfilmchen, deren Käufer bereits eine entsprechende Disposition haben. "Give it to me..." stöhnt sie und könnte fast Karriere als Synchronsprecherin machen - für das entsprechende Metier, versteht sich. Ob sie es versteht, ist nicht ganz klar. Sie schöpft ihr Selbstbewusstsein - dass sie in die paradoxe Lage versetzt, Sex zu fordern obwohl sie eigentlich die Gebende ist - aus der Anerkennung der Männer, nicht aus ihrem Intellekt, der ihr vielleicht sagen würde, dass es noch viel mehr gibt, das sie verlangen könnte.

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Nicht jeder, der einen Bart trägt, ist schon ein Weiser. (arab. Sprichwort)

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