Deutscher Boden

Mit dem in der Überschrift verwendeten Begriff verbinde ich entweder nationalsozialistische Politik oder Werbung für festkochende Kartoffeln. Wäre von, sagen wir mal, palästinensischem Land die Rede, würden sich meine Assoziationen eher um leblose Körper(teile) im blutig-roten Sand drehen. Auf irakischem Boden dagegen liegen in meiner Vorstellung junge Söldner mit archaischen Kalashnikovs, um sich mit ebenso jugendlichen amerikanischen GIs ein sinnloses Feuergefecht zu liefern.
Doch solche schrecklichen Bilder beiseite.

Was ist Heimat?
Was ist an einem Land so besonders, das man PatriotIn sein kann, ganz zu schweigen davon, dafür in den Tod zu gehen?
War ich froh, wieder zu Hause zu sein, als ich vor wenigen Stunden aus dem Zug stieg, von einem Besuch bei meinen britischen Verwandten zurückkehrend?
Die Luft hatte sich nicht verändert. Sie war genauso abgas- und plastikgeschwängert. Ein erneuter Kulturschock blieb somit aus. Es gibt weniger Fertiggerichte und Milchprodukte in den Kaufhallen und das Obst ist preiswerter. Die Busfahrer sagen die jeweils nächste Haltestelle an und man sieht weniger verschleierte Frauen auf den Straßen. Das sind aber auch die einzigen Unterschiede und es gibt nichts, was ich in einem anderen Land vermissen würde. Ich bin Umzüge und Ortswechsel gewohnt. Mich schockt nichts mehr (außer vielleicht der Sudan oder Afghanistan).

Die erste Frage ist die schwierigste und ich bin versucht, die Beantwortungen den Philosophen zu überlassen.

Das nächste Problem ist aus meiner Sicht einfach gelöst: Die Menschen brauchen einen Fixpunkt, zu dem sie zurückkehren können, an dem sie Bekanntes treffen, der Erinnerungen wieder aufkommen lässt, die Vergangenheit in den Kontext der Gegenwart bringt. Man benötigt dagegen keine Heimat auf nationaler Ebene – oder sollte es.
Länder sind dynamische Gebilde, Nationen können sich nicht auf eine allgemeine Definition stützen. Innerhalb jeden Landes gibt es verschiedene Dialekte oder gar Sprachen, mehrere Kulturen, variierende Ernährungsgewohnheiten, teilweise unterschiedliche Gesetze und Religionsvielfalt. Nationen sind Zusammenschlüsse von Menschengruppen, die wiederum aus Individuen mit ihren eigenen Weltbildern bestehen. Konflikte entstehen aus artifizieller Besinnung auf einen angeblichen Gemeinsamen Nenner, der die Gruppierung nach innen stärkt, nach außen aber Aggressivität anwendet, um die eigenen Grenzen gegen andersartige Gruppen zu schützen. Solche Eskalation ist immer präventiv. Unsichere Personen sind besonders anfällig für die Übernahme solcher Feindbild-geprägter Ideologien. Sie lassen ihre Individualität hinter sich, wodurch die Gruppe an Wert gewinnt, das eigene Leben diesen aber verliert. Somit wirkt ein Tod im Namen nationaler Interessen nicht mehr bedrohlich, da er einen höheren, gerechtfertigten Zweck zu bekommen scheint. Auf einer mindestens latent zu betrachtenden darwinistischen Ebene erklärt sich diese Opferbereitschaft aus der Konsequenz, dass bei einem Sieg der eigenen Gemeinschaft durch die engeren Bande die eigenen Gene weitergegeben werden können. (Sozialdarwinismus argumentiert auf ähnliche aber aggressivere Weise – der „Reinhaltung“ des Blutes)

Was ist mein persönliches Heimatgefühl?
Ich habe kein Heimatland, aus oben genannten Gründen. Ich habe sieben Jahre im Libanon verbracht, fünf Jahre in England, fünf in Deutschland. Ich habe Familienmitglieder in über fünf Ländern. Ich weiß wo meine Wurzeln sind, was meine Leitkultur ist. Zusätzlich habe ich jedoch auch das Privileg erhalten, das westliche Lebensgefühl kennen zu lernen – und die Normen, die damit verbunden sind. Somit kann ich mein eigenes Weltbild entwickeln, ohne gedankenlos das meiner Vormütter und -väter übernehmen zu müssen. Ich kann abwägen, argumentieren, ohne mir Kulturfremdheit vorwerfen lassen zu müssen.

Ich liebe es zu reisen, andere Lebensweisen kennen zu lernen, die subtilen Unterschiede zu entdecken, die uns so vielfältig machen. Dies muss jedoch ohne Urteil geschehen, das heißt, keine Kultur darf als inferior bezeichnet werden. Natürlich gibt es menschenrechtsverletzende Praktiken, die mit „unseren“ ethischen Werten unvereinbar sind und ich werde auch nicht in die Falle des übertriebenen Liberalismus treten und diese mit dem Totschlagargument „Das ist nun einmal deren Kultur.“ rechtfertigen, was übrigens auch von Arroganz zeugen würde.

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Nicht jeder, der einen Bart trägt, ist schon ein Weiser. (arab. Sprichwort)

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