Riechst du das Blut?
Mein lieber Cousin aus Israel („Palästina“) hat mir ein Paket geschickt, oder schicken lassen, denn er hat es einem Freund mitgegeben, der nach Ägypten reiste. Das Datum zeigt mir, dass es insgesamt drei Wochen unterwegs war. Die Verpackung ist ziemlich ramponiert und großflächig durchgeweicht. Aber Omar (der nichts mit seinem koranischen Namenspaten gemeinsam hat, zumindest nicht die Unerbittlichkeit und Misogynie) – oder Amir, wie seine israelischen Nachbarn ihn wohl eher nennen würden, wenn nicht Argwohn in diesem Gebiet vorherrschen würde – hat vorgesorgt und alles in mehrere Einkaufstüten mit arabischem Aufdruck eingehüllt. Einige Steine, zwei wunderschöne Kalligrafien („Allah, der Erbarmungsvolle, Allerbarmer“, „Nach Wissen zu streben ist Pflicht eines jeden Gläubigen“), ein Stapel Fotos, Gewürze, eine Bluse, ein Fußkettchen (ein wahnsinniges Risiko, so etwas per Post zu schicken), und zwei Kassetten.
Einige Auszüge aus seinem Brief (ich weine immer, wenn ich seine Worte lese, das gebe ich zu) möchte ich mit euch teilen.
„Diese Verrückten berufen sich dabei auch noch auf Gott, supaanallah!... Letztens war ich auf dem Markt, der vorwiegend von Juden frequentiert wird. Ich erschrak fast zu Tode, als hinter mir jemand Allahu Akhbar murmelte. Ich kann mir nicht denken, weshalb (außer vielleicht wegen eines plötzlichen religiösen Enthusiasmus), denn er hat nicht versucht einen Sprengsatz zu zünden. Verurteile mich nicht, aber ich bin einfach weiter gegangen, die Situation war zu skurril und bedrückend. ... Ein Freund hat mir erzählt, dass er dabei gewesen sei (in sicherer Entfernung), als ein Linienbus explodierte. Die Suizidattentäterin soll eine im Tschador gekleidete Frau gewesen sein. Wäre ich ein Busfahrer, würde ich solche potenziellen Passagiere nicht mitnehmen.“
„Wie sieht es aus bei dir in Germany? ...Beäugt man euch argwöhnisch? Schränkt man euch in der Religionsausübung ein? Das sagen nämlich die Gelehrten. Ich hoffe that's just Agitationspropaganda. I bet du kennst das – im Internet findet haufenweise derartige Argumentation – nach dem Motto „Verlass den gottlosen Westen, Schwester/Bruder!“.“
Die erschreckendste Passage war die Folgende:
„Nun, Cousine, auch mir ist etwas Krasses passiert. Mehrmals bekam ich bereits unauffällig Jihadprop-material in die Hand gedrückt – Die Islamisten drucken neuerdings bunte Broschüren. Das ist Normalität hier, I suppose. Jedenfalls habe ich dir eine von diesen Kassetten mitgeschickt – nicht weil ich dich auf einen fundamentalistischen Pfad führen will (du bist alhamdulillah intelligent genug), sondern damit du einen Eindruck davon bekommst, wie krank diese Truppe ist. Aber die Sängerin hat eine wunderschöne Stimme, findest du nicht? Richtig sexy, selbst die klagenden Abschnitte. Aber Märtyrertum ist ja nichts Trauriges, right? (ha!) Mach dir keine Sorgen um mich, Cousinchen, ich habe nicht vor, deren Polemik zu verinnerlichen und irgendwelche Menschen(!) zu ermorden. Du kennst den Qur'an wohl besser als ich, aber eine meiner Lieblingsstellen ist jene: „Wer einen unschuldigen Menschen tötet, ist des Mordes an der gesamten Menschheit schuldig.““
Ich wollte seinen Rat befolgen und mir ein realistisches Bild machen. So legte ich die unbeschriftete Kassette (die zweite war mit Bauchtanz-tauglicher Musik bespielt) in den Recorder im Wohnzimmer, da ich selbst kein entsprechendes Abspielgerät besitze. Auf den Text muss man jedoch hören -so etwas Explizites würde in Deutschland auf dem Index landen. Auszüge:
„Riechst du das Blut deiner Vorväter, sie gaben ihr Leben, wirst du es auch?“
„Im Himmels tanzen die Huris für den Standhaften, der den Westen mit Krieg überzieht.“
„Froh geben wir unsere Söhne, wissend dass sie im Paradies leben werden. Und wir geben auch alle unsere Töchter und unser eigenes Leben, wenn es von Allah befohlen wird.“
„Ich bete, der Nächste sein zu dürfen, der für unser Land sterben wird.“
Ich finde keine Worte mehr.
Mutter kam entgeistert in die Stube geeilt und starrte mich an. Zu Recht. (Ich nehme an, Vater wird sich heute Abend auf mein Bettende setzen und versuchen, ein „ernstes Gespräch“ zu führen.) Das ist das Ensetzlichste und Skurrilste, dass ich je erlebt habe. Aber die Stimme der Sängerin ist dennoch sexy.
Anmerkung zum Schreibstil: Ich habe versucht, die Übersetzung zu originalgetreu wie möglich zu realisieren. Man vermischt typischerweise Englisch, Standardarabisch und Umgangssprache.
Einige Auszüge aus seinem Brief (ich weine immer, wenn ich seine Worte lese, das gebe ich zu) möchte ich mit euch teilen.
„Diese Verrückten berufen sich dabei auch noch auf Gott, supaanallah!... Letztens war ich auf dem Markt, der vorwiegend von Juden frequentiert wird. Ich erschrak fast zu Tode, als hinter mir jemand Allahu Akhbar murmelte. Ich kann mir nicht denken, weshalb (außer vielleicht wegen eines plötzlichen religiösen Enthusiasmus), denn er hat nicht versucht einen Sprengsatz zu zünden. Verurteile mich nicht, aber ich bin einfach weiter gegangen, die Situation war zu skurril und bedrückend. ... Ein Freund hat mir erzählt, dass er dabei gewesen sei (in sicherer Entfernung), als ein Linienbus explodierte. Die Suizidattentäterin soll eine im Tschador gekleidete Frau gewesen sein. Wäre ich ein Busfahrer, würde ich solche potenziellen Passagiere nicht mitnehmen.“
„Wie sieht es aus bei dir in Germany? ...Beäugt man euch argwöhnisch? Schränkt man euch in der Religionsausübung ein? Das sagen nämlich die Gelehrten. Ich hoffe that's just Agitationspropaganda. I bet du kennst das – im Internet findet haufenweise derartige Argumentation – nach dem Motto „Verlass den gottlosen Westen, Schwester/Bruder!“.“
Die erschreckendste Passage war die Folgende:
„Nun, Cousine, auch mir ist etwas Krasses passiert. Mehrmals bekam ich bereits unauffällig Jihadprop-material in die Hand gedrückt – Die Islamisten drucken neuerdings bunte Broschüren. Das ist Normalität hier, I suppose. Jedenfalls habe ich dir eine von diesen Kassetten mitgeschickt – nicht weil ich dich auf einen fundamentalistischen Pfad führen will (du bist alhamdulillah intelligent genug), sondern damit du einen Eindruck davon bekommst, wie krank diese Truppe ist. Aber die Sängerin hat eine wunderschöne Stimme, findest du nicht? Richtig sexy, selbst die klagenden Abschnitte. Aber Märtyrertum ist ja nichts Trauriges, right? (ha!) Mach dir keine Sorgen um mich, Cousinchen, ich habe nicht vor, deren Polemik zu verinnerlichen und irgendwelche Menschen(!) zu ermorden. Du kennst den Qur'an wohl besser als ich, aber eine meiner Lieblingsstellen ist jene: „Wer einen unschuldigen Menschen tötet, ist des Mordes an der gesamten Menschheit schuldig.““
Ich wollte seinen Rat befolgen und mir ein realistisches Bild machen. So legte ich die unbeschriftete Kassette (die zweite war mit Bauchtanz-tauglicher Musik bespielt) in den Recorder im Wohnzimmer, da ich selbst kein entsprechendes Abspielgerät besitze. Auf den Text muss man jedoch hören -so etwas Explizites würde in Deutschland auf dem Index landen. Auszüge:
„Riechst du das Blut deiner Vorväter, sie gaben ihr Leben, wirst du es auch?“
„Im Himmels tanzen die Huris für den Standhaften, der den Westen mit Krieg überzieht.“
„Froh geben wir unsere Söhne, wissend dass sie im Paradies leben werden. Und wir geben auch alle unsere Töchter und unser eigenes Leben, wenn es von Allah befohlen wird.“
„Ich bete, der Nächste sein zu dürfen, der für unser Land sterben wird.“
Ich finde keine Worte mehr.
Mutter kam entgeistert in die Stube geeilt und starrte mich an. Zu Recht. (Ich nehme an, Vater wird sich heute Abend auf mein Bettende setzen und versuchen, ein „ernstes Gespräch“ zu führen.) Das ist das Ensetzlichste und Skurrilste, dass ich je erlebt habe. Aber die Stimme der Sängerin ist dennoch sexy.
Anmerkung zum Schreibstil: Ich habe versucht, die Übersetzung zu originalgetreu wie möglich zu realisieren. Man vermischt typischerweise Englisch, Standardarabisch und Umgangssprache.
Almujadilah - 4. Dez, 10:08
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