Kerngesund

Es ist für mich immer wieder eine Freude, in Deutschland zum Arzt zu gehen. (*insert sarcasm here*) Beim ersten Mal – als ich eine richtige Influenza-Grippe hatte (nicht lediglich einen läppischen Infekt, mit dem sich die meisten brüsten) – dauert es eine halbe Stunde, bis ich hustend und würgend die Assistentin bei der Kinderärztin von der Authentizität und Gültigkeit meiner Versicherungskarte überzeugen konnte. Eine Stunde später erinnerte man sich meiner und ich erhielt eine sechseinhalbminütige Behandlung – mit dem hilfreichen Ergebnis, dass ich mir einen Hustenlöser und Paracetamol besorgen sollte. In der Zwischenzeit war meine Temperatur um zwei Kelvin gestiegen. Und meine Begeisterung über mein neues Heimatland stark gesunken.

Beim nächsten Mal saß ich in der Chirurgie, mit beiden Beinen verstaucht. Nun sind Menschen aus südlichen Länder für ihre Geduld und weiten Zeitbegriff bekannt – aber Deutschland ist schließlich international für die Pünktlichkeit der Bewohner renommiert. So hofft man jedes Mal, doch bald dranzukommen. Die Warteperiode überbrückte ich mit Beten (eine akzeptable Alternative zum Heulen), was sich dank meiner Verletzungen als nicht ganz brauch-konform erweißen sollte. (Wusstet ihr, dass eine eine „muslimisches Knie“ genannte Prothese gibt, die einen großen Beugungswinkelspielraum hat?) Danach wurden mir im rapidesten Sächsisch die Sicherheitrichtlinien für das Röntgen erläutert. Nicken und Freundlichkeit ist gut, das öffnet die Herzen der Einheimischen, auch wenn man kein Wort versteht. So heißt es in einem Reiseführer für Irland. Nicht sehr hilfreich, hier.

Ein weiteres Erlebnis mit dem deutschen Gesundheitssystem hatte ich nach einem Unfall - Einlieferung in ein Krankenhaus; Gehirnerschütterung und blutüberströmte Schulter. Den nach Urin schmeckenden Tee auf der Kinderstation (mit 16...) werde ich niemals vergessen.

Doch diesmal sollte der Besuch beim Mediziner weniger dramatisch verlaufen, da es sich lediglich um eine Grippeimpfung handelte. Es wurde allerdings eines der skurrilsten Erlebnisse, dass ich je in meinem neuen Land hatte – und das waren bisher einige!
Einige Bekannte hatten angeboten, mich zu ihrem Allgemeinarzt mitzunehmen. Um sechs wurde ich aus dem Bett geklingelt. Eine Viertelstunde stand das Auto hupend vor dem Haus. Böse Blicke, nachdem ich nochmal zurückrennen musste, um meine Versichertenkarte zu holen. Ich fragte mich, warum es unbedingt nötig war, eine dreiviertel Stunde vor der Praxisöffnung da zu sein. Als wir das Viertel erreichten wurde, während wir einen Parkplatz suchten, der Opa vorgeschickt, der im Übrigen sein Gebiss vergessen hatte und wohl nicht zurücklaufen gedurft hatte. „Plätze reservieren“ witzelte ich. Keiner lachte. Es stimmte wohl. Im Laufschritt ging es durch die klirrende Kälte. Gut, dass ich als Tänzerin und Parcours-Anfängerin eine ausgeprägte Kondition habe. Vor dem Eingang angekommen standen bereits sieben Personen zitternd und wartend da. Ich fühlte mich ein wenig wie eine Agentin – oder wie eine DDR-Bürgerin beim Fleischer. Nach 30 unangenehmen Minuten traf der Arzt ein. Hinter uns hatte sich eine Schlange von 15 Leuten gebildet. Und das Mittwoch morgens.
Natürlich musste vor dem Einlass noch die Praxis gesaugt und das Datenbanksystem zum Absturz gebracht werden. Dann öffnete uns eine Sprechstundenhilfe mit rosigen Wangen, die Ehefrau des Doktors, die Tür. Ich freute mich auf meine Impfung. Im Warteraum durfte ich nicht meine Jacke ablegen, geschweige denn die Zeit zum Lesen des Spiegel-Dossiers über „Mekka Deutschland“ (uralt...) nutzen – unsere Bekannte war sehr darauf bedacht, dass wir keine Bakterienkontakte hatten. Wer hätte es gedacht, für die Assistentin war ich wieder „Faheeme Ali-äh-navee“. [Nur 1% der Menschen in Deutschland sind Analphabeten...] Und wie erklärt man einem Mediziner, dass man sich nicht wirklich entkleiden will (was bei einer langärmeligen Bluse obligatorisch ist...) und dass man gerne in den rechten Arm die Impfung erhalten möchte?

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