Me, Myself and I(ntegration)

Dienstag, 18. Dezember 2007

Hunger

Während unserer Zeit in England hatten wir trotz einer willkommenen Vergütung durch den Arbeitgeber meines Vaters (die letztendlich der Anlass für unsere Auswanderung gewesen war) hohe Schulden. Wohnungsmiete und Zusatzkosten verschlangen 90% unseres Einkommens. Meine Mutter erhielt als Ausländerin keine Lehrerlaubnis für britische Schulen. Ich, als ältestes Kind, war noch zu jung um auch nur eine geringe Arbeit aufzunehmen. So begab sich mein Vater morgens um fünf, nach dem Frühgebet, auf Arbeit und würde bis um sieben nicht wieder kommen. Mutter dagegen stand um vier auf. Sie begann den Tag mit einem Gebet, verrichtete danach für eine Stunde die anfallende Hausarbeit – Reinigen, Geschirr (ohne Spülmaschine!), Wäsche. Danach führte sie die Hunde einiger Nachbarn durch die Straßen und trug Zeitungen und Werbung aus. Wir wurden geweckt, ich half meinen Brüdern beim Anziehen, Einpacken und Aufräumen. Danach gab es ein gemeinsames Frühstück – normalerweise billigen Tee sowie eine Portion Getreidebrei, an guten Tagen mit Milch, wenn das Geld knapp war mit Wasser zubereitet. Ich (7) und mein Bruder (4) gingen zur Schule, der Kleine blieb zu Hause. Mutter pflegte bis zum Mittag die Gärten einiger Leute im Vorort, lief dann zwei Kilometer bis zum Stadtzentrum um auf den Markt zu gehen. Dort kaufte sie jeden Tag für uns das Obst vom Vortag, außerdem entweder Bohnen, Linsen oder Gemüse. Weiterhin besorgte sie Lebensmittel für einige ältere Leute, die sie auch bekochte. Sie kam halb drei nach Hause. Auf Grund des Hungers erledigte ich die Hausaufgaben meist nach dem Essen, das oft aus zwei Portionen Obst bestand. Mutter verließ dann wieder die kleine Wohnung, um für vier Stunden in einem Geschäft zu arbeiten. Wenn sie zurück kam, hatte ich schon das „proteinhaltige Gericht“ aufgesetzt, wie wir immer scherzten, Linsen bzw. Bohnen mit verschiedenem Gemüse, dazu von Zeit zu Zeit etwas Jogurt. Vater kehrte ebenfalls zurück, half mir beim Lernen, bügelte und putzte die Wohnung, falls nötig. Vor dem Essen beteten wir alle gemeinsam, wuschen uns erneut. Mutter nähte oder bestickte dann Stoffe, die eine Freundin auf dem Markt verkaufte. Vater spielte mit uns, las uns vor, brachte die Jungen ins Bett. Ich war meist in der Zwischenzeit zu den Füßen meiner Mutter eingeschlafen. Um zehn wurde ich geweckt, wir beteten zur Nacht, danach ging auch ich zu Bett. Meine Eltern würden erst um elf schlafen können. Oft lag ich noch wach, überlegte, wie wir an etwas mehr Geld kommen könnten oder betete einfach nur dass der Hunger aufhörte.

Niemand, ich wiederhole, niemand hat ein intrinsisches Recht auf Wohlstand.
Seid euch dessen besonders zur Weihnachtszeit bewusst.

Montag, 17. Dezember 2007

Levantine

Nach dem Anruf bei dem ägyptischen Zweig meiner Familie wurde mir wieder bewusst, woran ich arbeiten sollte – meinem Dialekt. Wenn man einige Sätze fünf Mal wiederholen muss, weil die Oma, die eigentlich noch - alhamdulillah - ganz gut hört und dann auffällt, dass es die fragliche Vokabel nur im levantinischen Dialekt gibt und man sowieso die Vokale „falsch“ ausgesprochen hat, ist es Zeit sich Sorgen zu machen. Warum kann es nicht nur ein Arabisch geben? Es ist belastend, immer zwischen libanesischem Dialekt, ägyptischem Dialekt und Literaturarabisch wechseln zu müssen. Das ist wie, als würde man gleichzeitig Mandarin und Shanghainese lernen. Schlimmer ist es, wenn man fünf Jahre alte eigene Tagebucheinträge lesen möchte und dazu ein Wörterbuch braucht.
Als ob ich nicht schon genug mit Deutsch zu tun hätte. Skurrilerweise habe ich einen wirklich starken Akzent, während ich meinen Wortschatz und die Grammatiksicherheit als nicht schlecht einschätzen würde. Das ist in sofern merkwürdig, als dass ich ständig von dieser Sprache umgeben bin, im Gegensatz zum Englischen oder Spanischen, bei denen ich fast eine muttersprachliche Aussprache erworben habe. (Ich bin ganz stolz, dass ich vier englische Dialekte nachahmen kann ;-)) Immersion klappt also doch nicht wirklich...

Madrassa ist kein exotisches Reisgericht

Koranschulen und Hinterhofmoscheen machen seit dem 9/11 ständig negative Schlagzeilen als Bastionen der Fundamentalisten.

Auch ich war zwei Jahre lang in einer britischen „Koranschule“ angemeldet, obwohl ich diese Bereichnung nicht gerne verwende, da sie immer "intereuropäisches Trainings- und Rekrutierunglager für Islamisten" impliziert, was bei meiner Schule keineswegs der Fall war. Demnach war die Einrichtung eher eine Art muslimischer Bibelkreis. Zwei Nachmittage in der Woche lasen wir den Qur'an, lernten (meist selbstgewählte) Surenverse auswendig, diskutierten und rezitierten. Die jenigen, die kein Arabisch konnten, lernten es, die anderen trainierten ihr English. Jedesmal gab es danach entweder ein kleineres orientalisches Gericht oder Sandwiches sowie Obst. Wir erzählten von der Schule und von unseren Hobbies, auf English, damit wir die Sprache lernten. Oft haben wir uns gegenseitig bei Hausaufgaben geholfen. Die Klassen waren meist getrennt, das Essen und Erzählen fand geschlechtergemischt statt, außer wenn es einige SchülerInnen nicht wollten. Ein paar mal organisierten die Lehrer auch Ausflüge, in ein Kulturmuseum oder ins Schwimmbad. Bei letzterem wurde sogar ein Becken für wenige Stunden angemietet, damit die (eher orthodoxen) Mädchen fernab von männlichen Blicken und ohne Ganzkörperbadeanzug schwimmen konnten.

Als ich vier Jahre alt war, wurde ich in meinem Urspungsland (ich sage nicht bewusst Heimat) für eine andere Art von madrassaangemeldet. Jeden Tag musste ich hin, wir lernten Lesen und Schreiben, hauptsächlich sprachen wir aber im Chor der völlig verhüllten Lehrerin nach. Warum sie Tschador und Niqab (Schleier) trug, ist mir unverständlich, denn sie unterrichtete ja eine reine Mädchenklasse. Sowieso war das Straßenbild nicht von Tschadors oder Burqas bestimmt, maximal einige sehr reaktionäre Frauen hatten diese zu tragen. Normale Hijabi kamen dagegen oft vor. In den Mädchenkursen wurde uns Gehorsamkeit gepredigt und uns die traditionellen Frauentugenden näher gebracht. Alle trugen traditionelle Kleidung (wie dies in einem deutschen Jugendbuch über Weltreligionen bezeichnet wird), das heißt, weiße Spitzenkopftücher, die bis unter den Brustkorb reichten, so dass wir aussahen wie frische Papiertüllen für Spritzgebäck.

Als meine Eltern erfuhren, wie sehr mich diese Schule belastete, musste ich sie nie mehr besuchen. Der einzige Grund für diese Art von Schulbesuch war nämlich der gewesen, dass ich mein Lese- und Schreibkenntnisse des Arabischen festige, bevor wir nach GB umzogen, nicht, dass ich extremistisch indoktriniert werde.

Trotzdem bin ich keine Terroristin geworden, ich würde mein Leben riskieren, um einen Attentäter an der Ausführung seines Plan zu hindern, wenn ich die Möglichkeit hätte. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass mein Wissen und meine Redegewandtheit nicht auf gezielter Schulung beruht. Ich weiß, dass manche Muslime darauf trainiert werden, ihren Glauben in der Öffentlichkeit zu verteidigen und jede konstruktive Diskussion mit "dem Westen" zu ersticken und dementsprechende Eloquenz besitzen. Seid versichert, das ist bei mir nicht der Fall.

Sonntag, 16. Dezember 2007

Schlagabtausch

Ich saß beim Frühstück, ein Glas schwarzer kardamomgewürzter Tee und ein Jogurt mit Obst stehen vor mir. Sobald mein Onkel den Sportteil zu Ende gelesen hatte, erhielt ich die Tageszeitung. Die Briten sind ein Volk von Zeitungslesern. Wem die paar Pfund wöchentlich zu viel sind, kann auf eine Vielfalt von kostenlosen, werbe-finanzierten Zeitungen zurückgreifen. Jeden Nachmittag, wenn ich durch die Londoner Innenstadt laufe, treffe ich eine junge lächelnde Frau mit Kopftuch, die eine solche Zeitung (mit einem mehrseitigen Klatsch-Ressort) verteilt.
Nachdem ich den Innenpolitikabschnitt durchgeblättert hatte, blieb mein Blick an einer Überschrift hängen: Deutscher Urlauber niedergeschlagen. Der Artikel implizierte, das dieses Verbrechen aus rassistischen Gründen geschah. Ist der Begriff rassistisch hier nicht fehl am Platze? Immerhin geht es nicht um unterschiedliche Rassen, sondern Nationalitäten. Die britische Meinung von Deutschland hat sich zwar im Zuge der WM stark verbessert, aber wir haben es immer noch mit einem Land zu tun, in dem die Deutschen nur im Zusammenhang mit Hitler und dem zweiten Weltkrieg genannt werden. Englische Sechstklässler würden, wenn sie an einer Studie teilnehmen, vielleicht bei den „Schurkenstaaten“ neben dem Irak die Bundesrepublik nennen. Keiner der englischen Jugendlichen, die ich gefragt habe, kannte den Namen der deutschen Kanzlerin (mehr als die Hälfte wusste aber, dass es sich um eine Frau handelte). Ein Bekannter, der in einer britischen Stadt wohnt, die sehr stark von deutschen und spanischen Sprachschülern frequentiert wird, meinte einmal zu mir, dass jeder, der freitagnachts Deutsch spricht, Gefahr läuft, seine Zähne zu verlieren. Nun frage ich mich, wer hier der Nazi ist.

Samstag, 15. Dezember 2007

Kerngesund

Es ist für mich immer wieder eine Freude, in Deutschland zum Arzt zu gehen. (*insert sarcasm here*) Beim ersten Mal – als ich eine richtige Influenza-Grippe hatte (nicht lediglich einen läppischen Infekt, mit dem sich die meisten brüsten) – dauert es eine halbe Stunde, bis ich hustend und würgend die Assistentin bei der Kinderärztin von der Authentizität und Gültigkeit meiner Versicherungskarte überzeugen konnte. Eine Stunde später erinnerte man sich meiner und ich erhielt eine sechseinhalbminütige Behandlung – mit dem hilfreichen Ergebnis, dass ich mir einen Hustenlöser und Paracetamol besorgen sollte. In der Zwischenzeit war meine Temperatur um zwei Kelvin gestiegen. Und meine Begeisterung über mein neues Heimatland stark gesunken.

Beim nächsten Mal saß ich in der Chirurgie, mit beiden Beinen verstaucht. Nun sind Menschen aus südlichen Länder für ihre Geduld und weiten Zeitbegriff bekannt – aber Deutschland ist schließlich international für die Pünktlichkeit der Bewohner renommiert. So hofft man jedes Mal, doch bald dranzukommen. Die Warteperiode überbrückte ich mit Beten (eine akzeptable Alternative zum Heulen), was sich dank meiner Verletzungen als nicht ganz brauch-konform erweißen sollte. (Wusstet ihr, dass eine eine „muslimisches Knie“ genannte Prothese gibt, die einen großen Beugungswinkelspielraum hat?) Danach wurden mir im rapidesten Sächsisch die Sicherheitrichtlinien für das Röntgen erläutert. Nicken und Freundlichkeit ist gut, das öffnet die Herzen der Einheimischen, auch wenn man kein Wort versteht. So heißt es in einem Reiseführer für Irland. Nicht sehr hilfreich, hier.

Ein weiteres Erlebnis mit dem deutschen Gesundheitssystem hatte ich nach einem Unfall - Einlieferung in ein Krankenhaus; Gehirnerschütterung und blutüberströmte Schulter. Den nach Urin schmeckenden Tee auf der Kinderstation (mit 16...) werde ich niemals vergessen.

Doch diesmal sollte der Besuch beim Mediziner weniger dramatisch verlaufen, da es sich lediglich um eine Grippeimpfung handelte. Es wurde allerdings eines der skurrilsten Erlebnisse, dass ich je in meinem neuen Land hatte – und das waren bisher einige!
Einige Bekannte hatten angeboten, mich zu ihrem Allgemeinarzt mitzunehmen. Um sechs wurde ich aus dem Bett geklingelt. Eine Viertelstunde stand das Auto hupend vor dem Haus. Böse Blicke, nachdem ich nochmal zurückrennen musste, um meine Versichertenkarte zu holen. Ich fragte mich, warum es unbedingt nötig war, eine dreiviertel Stunde vor der Praxisöffnung da zu sein. Als wir das Viertel erreichten wurde, während wir einen Parkplatz suchten, der Opa vorgeschickt, der im Übrigen sein Gebiss vergessen hatte und wohl nicht zurücklaufen gedurft hatte. „Plätze reservieren“ witzelte ich. Keiner lachte. Es stimmte wohl. Im Laufschritt ging es durch die klirrende Kälte. Gut, dass ich als Tänzerin und Parcours-Anfängerin eine ausgeprägte Kondition habe. Vor dem Eingang angekommen standen bereits sieben Personen zitternd und wartend da. Ich fühlte mich ein wenig wie eine Agentin – oder wie eine DDR-Bürgerin beim Fleischer. Nach 30 unangenehmen Minuten traf der Arzt ein. Hinter uns hatte sich eine Schlange von 15 Leuten gebildet. Und das Mittwoch morgens.
Natürlich musste vor dem Einlass noch die Praxis gesaugt und das Datenbanksystem zum Absturz gebracht werden. Dann öffnete uns eine Sprechstundenhilfe mit rosigen Wangen, die Ehefrau des Doktors, die Tür. Ich freute mich auf meine Impfung. Im Warteraum durfte ich nicht meine Jacke ablegen, geschweige denn die Zeit zum Lesen des Spiegel-Dossiers über „Mekka Deutschland“ (uralt...) nutzen – unsere Bekannte war sehr darauf bedacht, dass wir keine Bakterienkontakte hatten. Wer hätte es gedacht, für die Assistentin war ich wieder „Faheeme Ali-äh-navee“. [Nur 1% der Menschen in Deutschland sind Analphabeten...] Und wie erklärt man einem Mediziner, dass man sich nicht wirklich entkleiden will (was bei einer langärmeligen Bluse obligatorisch ist...) und dass man gerne in den rechten Arm die Impfung erhalten möchte?

Freitag, 7. Dezember 2007

Vollstes Verständnis

Was nun folgt, ist die Geschichte meiner ersten Jugendherbergsfahrt in Deutschland.

Eines Nachmittags kam ich missgelaunt nach Hause, der Geruch von Essen schlug mir entgegen. Ich hatte mir in der Schule wiedermal einen peinlichen Sprachfauxpas geleistet. Also schmiss ich meinen Ranzen in die Ecke (ihr seht, wie schnell ich mich an die hierigen Gepflogenheiten angepasst hatte?) und das Sprachlernprogramm an. "Hallo, mein Name ist Anna. Sie wollen Deutsch lernen? ... "
Inzwischen hatte Vater den Brief wegen des Elternabends zur Herbergsfahrt entdeckt. Ich hatte ihn strategisch günstig auf seinen Schreibtisch gelegt. Bei Abendessen kam er auf das Thema zu sprechen. Ich spitzte die Ohren.
Rasheed, mein jüngster Bruder rief aufgeregt "Ich will mit!", was natürlich mit einem scharfen Nein quittiert wurde, woraufhin er versuchte, seinen Teller zu zertrümmern. Beide, er und das Geschirr blieben heil. Israelische Qualitätsware, wie mein Vater schmunzelnd zu sagen pflegt. Onkel E. regt sich dann immer fürchterlich auf. Aber er wohnt weit, weit weg.
Leider in der Nähe von Israel.
Nach dem Elternabend rief meine Klassenlehrerin, die uns in Sexualkunde immer von ihrer eigenen Schwangerschaft zu erzählen wusste, meine Eltern zu einem persönlichen Gespräch.

"Also, liebe Familie §arabNachname, ich wollte sie beide noch einmal unter vier Augen sprechen."
Eigentlich sind es sechs Augen, wenn ich nicht beide zudrücke, wird wohl mein Vater gedacht haben.
"Ich nehme an, dass das eine heikle Situation ist."
Meine Eltern nickten verständnisvoll. Gut, dermaßen viel Verständnis wird es nun doch nicht gewesen sein, da Mutters "Integrationskurs für ausländische MitbürgerInnen" (so hieß das wirklich!) erst im nächsten Semester begann und man sich damals mit Vater prima über MOSFETs und Kondensatoren unterhalten konnte, nicht aber über schulische Pläne.
"Ihre Tochter ist eine gute Schülerin und findet sich erstaunlich gut zurecht." (dabei hätte ICH nicht mit ihr übereingestimmt)
Wann werden sich die Familienoberhäupter wohl gewogen fühlen, etwas zu antworten?
"Ich möchte sie also bitten, das alles in Betracht zu ziehen und ihrer Tochter die Mitfahrt zu ermöglichen."
Darauf läuft es also hinaus. Die Geduld hätten sie nicht verloren, wer stundenlang teetrinkend die politische Lage des Ostens besprechen kann, lässt sich davon doch nicht einschüchtern.
"Wir wollen nicht unser Kind ausschließen..."
Die Lehrkraft hört offensichtlich nicht zu:
"Jedoch, bedenken Sie, wir werden alles mögliche tun um Ihrem Glauben entgegen zukommen, die Unterkünfte und Duschen sind ja sowieso getrennt, ich habe schon mit den anderen Schülern gesprochen, sie werden Ihre Kultur respektieren..."
"Sehr schön. Unsere Tochter fährt mit, da ist keine Frage."
"Aber Herr §aN - wie? Fahima fährt mit? Sie erlauben es ihr? Ohne Probleme?"

So viel Toleranz wird hier in Deutschland geleistet. Das erinnert mich an die Geschichte mit dem gutherzigen Mann, der einer alten Dame über die Straße half, obwohl die gar nicht wollte.

Dass meine Lehrerin aber mit den Mitschülern sprach, erklärt, warum ich danach immer wieder aufgezogen wurde oder dumme aka neugierige Fragen kamen.

Montag, 3. Dezember 2007

Übersättigung

Der Islam ist für den Gläubigen integraler Bestandteil des täglichen Lebens. Die Hingabe - was mir persönlich als Übersetzung für "islam" schöner erscheint als Unterwerfung – an Allah durchdringt jeden Aspekt der menschlichen Existenz. Deshalb ist auch eine Reform des Glaubens so schwer möglich – jede Veränderung bringt angebliche Blasphemie mit sich, jede Ablehnung eines konfliktbeladenen Punktes wird gleichgesetzt mit Leugnung des gesamten Gefüges. Und Abkehr von Glauben bedeutet, nicht das Paradies erreichen zu können. (Demzufolge, da ein solches Verhalten schädlich für die Gemeinschaft ist, rechtfertigt man menschengemachte Justiz.)

Doch mittlerweile fühlt es sich für mich so an, als gäbe es zu viel Religion in meinem Leben. Überzeugte Atheisten sollten ihren momentanen Hoffnungsschimmer ignorieren, denn ich meine es anders, als es zuerst klingt.
Es vergeht naturgemäß kein Tag, an dem ich nicht an Gott denke, den Qur'an lese usw.
Aber zusätzlich beschäftige ich mich ständig mit politischen und sozialen Konflikten.
Jede Explosion auf CNN erinnert mich an die Bomben in meiner Kindheit.
Jede Aufnahme von qur'an- und bannerschwenkenden Demonstranten ruft Assoziationen mit den vielen Dokumentarfilmen über das Dritte Reich hervor.
Jede latent verfassungsfeindliche Schrift, die ich (auszugsweise) lesen kann, lässt mich mehr in Betracht ziehen, eine Psychologin zu besuchen.
Dieses deprimierende Hobby hat meinen Blick vollkommen verändert, wenn auch nicht meine Ideologie, meinen Fokus erweitert. Ich habe vollkommen andere Gedanken, wenn ich heute eine(n) Muslim(a) sehe.

Ich führe umfangreiche Selbstexperimente durch.* (Vielleicht sollte ich Soziologin werden.) Ich trage einige Male eine Burqa in der Innenstadt (ich wurde von mitleidigen Feministinnen angesprochen, und ein alter Mann beschwerte sich lauthals über „diese Türken“), wurde wegen eines Niqabs (Gesichtsschleier) aus einem Restaurant gebeten (Vermummungsverbot?), habe meinerseits Musliminnen angesprochen und sie versucht zu befragen (häufig mangels Türkischkenntnissen zwecklos).

Politisierung ist gefährlich. Sie führt zur Überbewertung bestimmter Situationen.

*Ich bitte euch, mir nicht Sensationsstreben, das halbherzige Nachvollziehen der Leiden der wirklich unterdrückten Frauen (weil ich es mir "leisten kann") oder die falsche Einstellung zu unterstellen.

Sonntag, 14. Oktober 2007

Die Wahrheit

Mutter:Pass ein bisschen auf, was du in dein Weblog schreibst.
Ich: Weshalb machst du dir Sorgen? Was meinst du? Was könnte denn so schlimm sein?
Mutter; Die Wahrheit.

Freitag, 5. Oktober 2007

Ein Geschenk Gottes

Die kleine Asma Hajar ist auf der Welt. 46cm, 2700g*.

Fotos gibts keine. Jeder hat schon genug Babies gesehen. Sie hat sehr dunkle Haut und ein paar schwarze Haare.

Ich bin furchtbar müde, habe in den letzten drei Tagen nur 8 Stunden geschlafen. Die Geburt war äußerst kurz (3 Stunden total), aber durch Frühwehen waren wir die ganze Zeit zum aufgeregten Abwarten verdammt.
Meine Mutter war bei einer erfahrenen Hebamme und sie selbst hat schon mehrere Kinder zur Welt gebracht, was den Geburtsvorgang signifikant erleichtert und schmerzärmer gestaltet hat.

Ich nehme an, dass meine Eltern nicht vorhaben, weitere Kinder zu zeugen -fünf Nachkommen (ich, meine Brüder Faysal Umar und Rasheed Tariq, meine Schwestern Leyla Mariyam sowie Asma Hajar) sind vollkommen ausreichend.
Es gibt in der Benennung, wie vielleicht schon aufgefallen ist, eine Tendenz zu Doppelnamen, da meine Eltern nicht darüber diskutieren wollen und einer sich möglicherweise zurückgesetzt fühlt, also vergibt jeder seinen Favoriten. Ich trage den Zweitnamen Aisha, was mich sehr stolz macht, da sie eine hervorragende Gelehrte war, die Lieblingfrau des Propheten!

Falls sich jemand fragt, wie die Betreuung geregelt ist: Nein, mein Vater wird nicht Elternzeit beanspruchen, was nicht auf mangelnde Modernität zurückzuführen ist, sondern auf die tatsache, dass wir keine Staatsbürger sind und dringend auf seinen Lohn angewiesen, da meine Mutter nur knapp ein Drittel verdient. Wir müssen jetzt bereits sparen, wo es möglich ist, leben in einer kaum 65qm großen Wohnung, obwohl der Haushalt aus acht Personen besteht.
Meine Mutter wird sich zwei Jahre Vollzeit um Asma und uns kümmern, danach wieder einen Beruf aufnehmen. Vielleciht werden unsere Gebete erhört und wir werden inshallah bis dahin offiziell Deutsche, was es leichter für sie machen würde, eine Lehrerlaubnis zu erhalten.

*Das erklärt sich vielleicht durch das vergleichsweise hohe Alter meiner Mutter, die 36 ist. Obwohl, heutzutage werden viel ältere Frauen noch glückliche Mütter gesunder Kinder.

Samstag, 29. September 2007

Das Goldene Lamm

"Was machen wir eigentlich mit dem Lamm für Fittur?",wirft mein Vater in die Runde.
Meine Mutter zuckt mit den Schultern. "Ich habe hier in der Stadt noch keine halal-Fleischer gesehen."
Wir sind vor zwei Jahren innerhalb Deutschlands umgezogen.
"Ja, und seit Ali einen langen Urlaub..." er räuspert sich, "nun, seit er ausgewiesen wurde, wüsste ich nicht, wo wir Fleisch bestellen sollten."
Mein Einsatz: "Halal-Schlachtung ist doch inakzeptabel - warum sollten Allahs Geschöpfe leiden, nur damit wir ihr Muskelgewebe verzehren können?"
Bei diesem Thema sind meine Eltern ratlos. Mein Bruder Faysal mischt sich ein: "Wir können doch nicht alle Vegetarier wie du werden!"
"Können wir nicht Geflügel nehmen?" schlägt Mutter vor.
"Das geht nicht, auf Grund der Krankheiten- Vogelgrippe, Salmonellen, immerhim bist du schwanger."
Alle lachen los: "Schaut, wie deutsch wir geworden sind! Diese Sorgen...!"
"Was ist mit Bioprodukten?"
"Glaubst du, wir sind reich? Das kostet doch 60 Euro für uns alle!"
"Aber halal Schlachtung ist auch nicht billg!"
"Jedoch hätten wir dann Lamm."
"Soll ich mal im Internet schauen?"
"Wir bestellen doch online kein Fleisch!"
Vater: "Ich wäre dafür, das Festessen dieses Jahr etwas sparsamer ausfallen zu lassen. ich bin schließlich nur ein kleiner Ingenieur, der von seinem Gehalt, 7 Leute - bald 8 - ernähren muss. Meine Kollegen leben mit ihren Partnern und Einzelkindern auf 80 qm, wir haben "nur" 57 qm."
"Du bist doch Schuld, Khaled, du hast doch mit mir die ganzen Kinder gemacht, " wirft meine Mutter scherzend ein. Vater schenkt ihr ein liebevolles Lächeln.
"Aber du hast recht. Wir können auch ohne Fleisch auskommen."
"Nehmen wir Fisch?"

Underneath the Veil

Denken und Glauben

Wo Verstand ist, da braucht es nicht viele Worte

Nicht jeder, der einen Bart trägt, ist schon ein Weiser. (arab. Sprichwort)

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