Freitag, 7. September 2007

1.Dass sie ein Tuch über sich schlagen

{Die Einordnung des Kopftuches und koranischen Belege}
Um das Kopftuch rankt die neben dem Terrorpotenzial größte Kontroverse im Bezug auf den Islam.
Man erblickt auf dem Straßen Europas, Afrikas und Asiens eine Vielzahl verschiedener Tucharten: Man unterscheidet zwischen dem bunten, lockeren Schal, dem einfarbigen strenggebundenen Hijab (Kopftuch) oder dem praktischen Tuch einer anatolischen Bäuerin bis hin zu dem langen schwarzen Tschador (Ganzkörperbedeckung), Gesichtverschleierung mittels Niqab bzw. gar der Verdeckung der Augen mit einem besticktem Netz wie bei der afghanischen Burqa.
In der Diskussion werden die Grenzen verwischt, pauschal von Verschleierung gesprochen. Wir werden später sehen, dass es sehr wohl Differenzierungen in der Motivation gibt, die beispielsweise Hijabi- oder Niqabi-Schwestern haben.

Doch was qualifiziert im qur'anischen Sinne als Verhüllung?
Oft wird der arabische Begriff dafür nicht erwähnt, als hijab lediglich sieben Mal.

Eine göttliche Anweisung lautet: „Wenn ihr etwas Notwendiges von den Ehefrauen des Propheten zu fordern habt, tut dies hinter einer Verhüllung.“ Da hier die Gläubigen angesprochen sind, kann der Begriff Verhüllung nur im weiteren Sinne mit Vorhang übersetzt werden.
Im Qur'an heißt es dazu weiterhin: „ [sie sollen] ihren Busen mit einem khimar verdecken."(24) Khimar ist der arabische Begriff, für so gut wie alles, das aus Stoff ist – Tischdecken, Blusen, Taschentücher, Schals... Es muss also nicht, wie die gängige Vorstellung, Kopfbeckung bedeuten.
Diese Stelle bezieht sich auf die typischen Gewänder der damaligen Zeit, sie waren sehr tief ausgeschnitten. Es fällt auf, dass nicht vom Bedecken der Haare die Rede ist. Wenn dies Allahs Wille ist, besteht zur Verwunderung Anlass, denn er hätte es problemlos explizit offenbaren können. Er ist nicht auf einen Gelehrten angewiesen, der die entsprechende Bedeutung herausfindet.Weiterhin findet man laut einigen Übersetzern die Anweisung, „sie [sollen sich durch] ihr Übergewand bedecken, wenn sie aus dem Haus gehen. So werden sie als Ehrbare erkannt und es ist gewährleistet, dass man sie nicht belästigt.“
Die Tatsache, dass sie dieses Gewand sowieso tragen und nur u.U. modifizieren müssten, spricht gegen ein “richtiges” Kopftuch.
Diese Stelle kann jedoch auch anders übertragen werden, nämlich als “das Übergewand verlängern”, was sprachlich korekkter wäre. Allah schreibt wiederum NICHT vor, wie diese Verlängerung/Bedeckung zu erfolgen hat, ob knielang oder knöchellang. Dies ist hilfreich, um den Islam auch bei veränderten Gegebenheiten praktizieren zu können. Allah vergisst nichts.

Es gibt noch weitere Belege in Qur'an und Sunna für eine Kleiderordnung. So soll nur das unbedeckt sein, was nötig ist (meist reaktionär als Augen und Hände interpretiert), ebenso soll die awrah, Blöße nicht sichtbar sein. Leider ist dieser Begriff nicht einheitlich definiert. Er umfasst nach gängiger Meinung bei Männern den Unterleib, bei Frauen aber den gesamten Bereich von Wade bis Hals. Wenn für das Kopftuch argumentiert wird, zählt man auch Nacken und Haar dazu.
Nun ist es aber nötig, sich im Klaren darüber zu sein, dass auch für ältere (geschlechtsreife) Kinder gilt, dass sie nicht die awrah ihrer Eltern sehen sollten.* Hier wird deutlich, dass nur die Geschlechtsmerkmale gemeint sein können, alles andere wäre krankhaft paranoid und inkonsistent, da der Islam eine praktisch-pragmatisch orientierte Religion sein sollte. *(Auch vor nicht muslimischen FRAUEN soll die Scham einer Muslima verborgen bleiben.)

In einer Hadith (Erzählung vom Leben des Propheten) wird erwähnt, dass die Frauen einer Stadt nachdem sie Muhammads Anweisung zur anständigen Kleidung hörten, ihr Gewand über sich zogen, so dass sie wie Krähen aussahen. Dieser Vergleich scheint für die Burqa zu sprechen, wer schon einmal eine alte Iranerin gesehen hat, kann sich den Parallelen nicht entziehen.

Laut zahlreicher religiöser Autoritäten ist das Missachten der islamischen Kleiderordnung haram, also verboten. Um sich die Schwere dieser Einstufung vor Augen zu führen ist es wichtig zu wissen, dass es fünf Niveaustufen für Handlungen gibt. Haram ist die unterste, sie ist äußerst negativ für den Gläubigen. Doch es ist nicht klar, ob das Nichttragen eines Kopftuches auch darunter fällt.

Eine weitere Überlieferung (al-Bukhari von Aisha) besagt, dass die Frauen nach der Verkündung dieser Regel ihre Kleider zerrissen und mit den Stoffstücken Kopf und Gesicht bedeckten. Ein Fall von anfänglichem Übereifer?

Nun sollten wir nach dem tieferen Sinn dieser Verhüllung fragen.
Ist die Muslima nicht unverrückbar die Andere? Wird nicht ihre Objekt- und Opferposition zementiert? Wird sie nicht eingeengt und in die Unterwerfung, nicht nur unter Allah, sondern auch unter ihren Ehemann gezwungen?
Die zentrale Frage lautet: Ist eine Verhüllung obligatorisch und wenn ja, in welchem Umfang?

Es zeigt sich, dass es an dieser Stelle noch keine eindeutige Antwort geben kann, da der Qur'an zahlreiche ambivalente Aussagen beinhaltet. Weshalb jedoch ist das heilige Buch der Muslime dermaßen uneindeutig? Ist es etwa nicht zuverlässig?
In explizit muslimische Argumentation übertragen, gibt es folgenden Einwand: Allah hat als allwissende Existenz zu jeder Zeit gewusst, was aus seiner Schöpfung wird - und bereut es nicht, wie beim christlichen Gott der Fall. Er hätte gewusst, dass der eine Hälfte der Muslime zum Kopftuch notfalls mit Gewalt verpflichtet, die andere es verbietet. Seine Botschaft muss also eindeutig sein, wenn sie erst einmal vom kulturellen Kontext gelöst wurde. Warum sollte Er unklare Anweisungen herab senden? Natürlich können über Jahrhunderte Veränderungen aufgetreten sein – entweder ideologisch motiviert oder durch Überschätzung der Gedächtnisleistung der frühen Gläubigen.
Atheisten werden natürlich die Vorstellung eines omnipräsenten Gottes per se ablehnen.
Bevor muslimische Mitleser jedoch protestieren möchte ich einwenden, dass der Prophet laut Überlieferung meinte „Hinweg mit denen, die später Verfälschungen einführen.“ Dies muss sich nicht auf illegitime Glaubensreformen beziehen, sondern gerade auf die Interpretationen, die dem Geist des Islam entgegenstehen.

Doch hier taucht der gefährliche Begriff der Kultur und Tradition auf. Darauf werde ich in späteren Teilen eingehen. Soviel sei dazu hier gesagt: Man kann Praxis und Theorie, Kulturkreis und Religion nicht eindeutig trennen. Der kollektive Hintergrund reicht nicht als Erklärung oder Entschuldigung aus.

Doch eine Frage kann beantwortet werden (obwohl wir ihre Implikationen erst später erfahren werden), nämlich die nach dem Symbolgehalt jeglicher Verschleierung. Das Kopftuch ist nicht mit dem christlichen Kreuz vergleichbar, obwohl oft konträres behauptet wird. Es ist ein teilweise individuell bestimmbares Element der Kleiderordnung und hat weder religiösen noch sonstigen Signalcharakter, obwohl wie schnell deutlich wird, es mit politischen und gesellschaftlichen Implikationen variierender Ideologien aufgeladen ist.

Kommende Beiträge:
2.Dass sie ihre Scham hüten
{Die geschichtlichen und religiösen Hintergründe des Kopftuches}
3.Dass sie den Blick abwenden
{Das Unterdrückungspotenzial und die Machtfrage „Was nützt wem“}
4.Demut in Zeiten des Überflusses
{Die Anziehungkraft der „Ablehnung der Nacktheit“}
5. Fereshta Ludin und die Jungen Liberalen
{Die Macht der Konvertiten}
6. Gewalt und „dieses Stück Stoff“
{Westliche Apologetik}
7.Fazit
{Was es bedeutet Kopftuchträgerin zu sein}

Monrose als Models

monrose
Da hat wohl jemand nicht ganz aufgepasst. Vielleicht sollte man diese Formulierung noch einmal überdenken. Gut, welche Autoriät bin ich schon für die deutsche Sprache, als Ausländerin...

Eines vornweg: Monrose ist überhaupt nicht meine Richtung.

Erwähnenswert finde ich, dass sich Bahar und Senna als gläubige Musliminnen bezeichnen.
Dabei ist Letztere ein wenig Ghetto-Girl, was in diesem Zusammenhang unfreiwillig komisch wirkt.
Bahar dagegen schließt nicht aus, in naher Zukunft das Kopftuch zu tragen. Ich finde diese Einstellung seltsam, denn für mich geht die Verhüllung nicht mit einer Berufung von außen einher.
Gut ist aber, dass sie sich nicht dem Nacktheitsgebot der Medienwelt beugen wollen.
Natürlich urteile ich keinesfalls über Religion und Lebensweise Andere.

Dazu ein amüsantes Video - das kommt dabei heraus, wenn man Synkretismus und ökumene ernst nimmt.
http://www.youtube.com/watch?v=F-aqByrNmEQ&eurl=http%3A%2F%2Fwww%2Ewischns%2Ede%2Findex%2Ephp%2Fmjusick%2Fes%2Dgibt%2Dnur%2Deinen%2Dgott%2Ddas%2Dmonrose%2Dvideo%2F85

Underneath the Veil

Denken und Glauben

Wo Verstand ist, da braucht es nicht viele Worte

Nicht jeder, der einen Bart trägt, ist schon ein Weiser. (arab. Sprichwort)

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