Nicht rennen

So wie vor einigen Jahren der Opferfeminismus vorherrschte, der mittlerweile durch von Selbstverständlichkeit geprägten Powerfeminismus abgelöst wurde, hat sich jetzt eine Art Opfermentalität unter Muslimen herausgebildet. (Diese Ideologien betreffen nicht notwendigerweise die selben sozialen Gruppen ;-) ) Diese hat sich – auf kultureller, nationalistischer, religiöser und global-politischer Ebene – zu islamistischer Paranoia weiterentwickelt und scheint jegliche Agitation sowie Eskalation zu rechtfertigen.

„Nicht rennen, nur nicht zu auffällig sein“, denke ich grimmig, den schwarzen Humor zu schätzen wissend, während mit einem schweren schwarzen Rucksack auf dem Rücken durch das komplizierte Gangsystem der Londoner U-Bahn eile, in einem hoffnungslosen Versuch, noch rechtzeitig die überfüllte Central Line zu erreichen. Ein Bombenattentat wäre wie immer extrem effektiv, doch das ist nicht was ich vorhabe. Die bloße Möglichkeit eines aufkommenden Verdachts ist auch Grund dafür, dass ich nicht schneller laufe. Mittlerweile müssten die tube-Sicherheitsleute zwar LTL-Bewaffnung (less-than-lethal, bedeutet Taser etc.) zur Verfügung haben, aber ich will nichts riskieren, man hat hier schon jemanden niedergeschossen. Immerhin bin ich verdächtig – nicht? Kopftuch, dunkle Hautfarbe, Rucksack, Nervosität. Smile, you're on CCTV. Wer wäre nicht aufgewühlt, wenn er sich durch Massen von Menschen wühlen müsste um nicht schon wieder zu spät zum Dinner zu kommen? Leide ich unter Verfolgungswahn? Es scheint so. Aber immerhin wurde ich am Frankfurter Flughafen sehr gewissenhaft überprüft. Im Namen der Demokratie beschwere ich mich nicht – ich wäre begeistert, wenn diese Kontrollmaßnahmen tatsächlich Attentatsversuche vereiteln. Nur habe ich irgendwie das Gefühl, dass Flugzeugentführungen ihren Reiz für Terroristen verloren haben. Diese Taktik hatte eine sehr kurze Halbwertszeit.
Am Kontrollschalter war ich noch versucht gewesen, etwas von den Vorzügen einer Kennzeichnungspflicht für Muslime zu murmeln, einer grüner Halbmond vielleicht anstatt eines gelben Magen Davids. Aber dafür wäre mir wieder Antisemitismus vorgeworfen worden – völlig ungerechtfertigt.
So stolpere ich also in das hellblau beleuchtete mit Telegraph- und Guardian-lesenden Pendlern vollgestopfte Abteil und atme auf. Ich habe keine Angst. Ich leide nicht unter kollektiver Paranoia. Ich werde kein Opfer sein. Und schon gar keine Bombe zünden

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